In der Realität ist die Erdachse nicht, wie bei einem Globus, fest am Himmel verankert. Auf sie wirken verschiedene Kräfte ein, die sie in unterschiedlichem Ausmaß schwanken lassen. Am stärksten ist der Einfluss durch die nicht exakt runde Form der Erde; sie ist am Äquator etwas dicker als an den Polen. Der Präzession genannte Effekt sorgt dafür, dass die Verlängerung der Erdachse am Himmel einen Kreis beschreibt. Derzeit ist sie genau auf den Polarstern ausgerichtet. Doch in Zukunft werden es andere Sterne sein, bevor sie in einem Rhythmus von 26.000 Jahren dann wieder zum Polarstern zurückkehrt.
Aber auch die sich manchmal gegenseitig verstärkenden oder abschwächenden Gravitationskräfte von Sonne und Mond zerren an der Erdachse. Dieser Nutation genannte Effekt sorgt für kleinere Wellenbewegungen des Präzessionskreises der Erdachse. Es gibt eine deutliche Nutation mit einer Periode von 18,6 Jahren, aber auch viele kleinere, mit Wochen- oder Tagesschwankungen. Deswegen eiert die Achse nicht gleichmäßig, sondern mal mehr oder weniger stark.
Ungekannte Präzision
All diese Effekte konnte der Ringlaser nun mit für Inertialsensoren – also Sensoren die unabhängig von externen Signalen arbeiten – bislang ungekannter Genauigkeit direkt und kontinuierlich über 250 Tage hinweg messen. Anders als bislang ist dafür kein Verbund von mehreren großen Radioteleskopen (VLBI) auf verschiedenen Kontinenten nötig. Der Ringlaser kann all das allein in einem verhältnismäßig kleinen Instrument, das sich in Wettzell in einem Erdbunker befindet. Zudem beträgt die zeitliche Auflösung der Schwankungen weniger als eine Stunde statt einen Tag - und die Ergebnisse stehen sofort zur Verfügung statt erst nach Tagen oder Wochen wie beim VLBI.
Erstautor Prof. K. Ulrich Schreiber vom Ingenieurinstitut für Astronomische und Physikalische Geodäsie der TUM betont: „Uns ist damit ein großer Fortschritt in der Vermessung der Erde gelungen. Was unser Ringlaser kann, ist weltweit einzigartig. Wir sind 100-mal genauer, als es bislang mit Gyroskopen oder anderen Ringlasern möglich war. Die exakte Messung der Schwankungen hilft dem Verständnis und der präzisen Modellierung des Systems Erde.“
Mit einer weiteren Steigerung der Messgenauigkeit und Stabilität des Ringlasers um den Faktor 10 in der Zukunft würde sogar die Messung der Raum-Zeit-Verzerrung durch die Erdrotation näher rücken – ein direkter Test der Relativitätstheorie. Damit ließe sich zum Beispiel der Lense-Thirring-Effekt, also das „Mitziehen“ des Raumes durch die Rotation der Erde, direkt an der Erdoberfläche überprüfen.
Genauester Drehsensor der Welt
„Der Ringlaser in Wettzell ist einzigartig und der mit großem Abstand genaueste Drehsensor der Welt“, sagt Prof. Dr. Simon Stellmer, Leiter der Arbeitsgruppe Quantenmetrologie an der Universität Bonn. Gemeinsam mit seinem Team verfolgt er neue Ansätze zur Weiterentwicklung von Messtechnik für Ringlaser und betreibt hierzu mehrere Aufbauten am Physikalischen Institut. Im November steht die nächste Kampagne an, dann wird ein Ringlaser in Neuseeland mit hochpräzisen optischen und elektronischen Komponenten aus Bonn ausgestattet: „Wir freuen uns, zu diesen internationalen Projekten beitragen zu können.“